Vorwort zur Hummel mit "Eiern aus Titan"
Ich habe es wieder getan.
Nicht um zu provozieren oder anzugeben. Obwohl die Reaktionen auf den im Sept. 2012 im Thermikmagazin abgedruckten Hummeltext sehr amüsant zu lesen waren. Da wurde von deutschen DHV-Mitgliedern nach redaktioneller Zensur (!) gerufen und Abos gekündigt. Man unterstellte mir ein naives Dummchen zu sein, oder, falls dies nicht zuträfe, Eier aus Titan zu haben. Ich hatte ein Tabu verletzt, ein absolutes NO-GO geliefert, Gesetzesbruch begangen und dazu die Frechheit besessen, darüber zu schreiben.
Mein Verbrechen: Ich war einer Wolke zu nahe gekommen.
Nun habe ich es wieder getan.
Nicht um die selbsternannten Himmelswächter erneut zu ärgern, sondern aus purer Freude.
Ich flog durch Wolkenlandschaften, über Nebelbrücken und an kreisrunden Halos vorbei, die meinen eigenen Schatten umschlossen. Ich war gefangen im Regenbogen inmitten einer magischen Welt aus surrealer Schönheit, wie sie nur in Träumen vorkommt.
Ob meine folgende Beschreibung der Erinnerung einer nächtlichen Fantasie oder eines tatsächlich stattgefundenen Fluges entspringt, ist nur für den DHV von Bedeutung (falls man mich verklagen will). 2012 fragte ein Leser (Geri aus der Schweiz), weshalb die Reaktionen im Forum erst mit einer gewissen Verzögerung gekommen waren. Hatte es sich um eine Schrecksekunde nach der Veröffentlichung gehandelt? Nein, meinte ein anderer (Tommi aus Hamburg). Es wolle bloß niemand als erster mit dem Spießervorwurf konfrontiert werden.
Danach ging es ungeniert zur Sache. Wolkenwie, wolkenwo, wolkenwahn…..
Wolkenhummel
Die Kaltfront war bereits am Freitag über die Alpen gezogen und hatte Schneefall bis in die höheren Täler gebracht. Am Samstag lag eine dicke Wolkendecke überm Land, als wolle sie dem verirrten Weiß das kurze Leben verlängern. Weder das prognostizierte Zwischenhoch noch die Sonne konnten sich durchsetzen. Eisiger Ostwind riss Kirschblütenblätter von den Bäumen und trieb sie wie Schneeflocken über die Wiesen. Zum Bärlauchpflücken hätte ich mir Handschuhe gewünscht.
Auf der website von Meteo Schweiz wurde abends zur Rechtfertigung ein Bild der Säntis webcam gepostet: Es zeigte den versprochenen blauen Himmel über einem Nebelmeer, welches an den 2500 Meter hohen Gipfel brandete. Einzig der Sendemast ragte heraus.
Am Sonntag, den 10. April, waren sich Wetter und Vorhersage endlich einig. Nach der klaren Nacht herrschten beste Pistenbedingungen, so (froh)lockten die Liftbetriebe für ihren letzten Saisontag. Den Schitourengehern versprach man traumhaften Firn.
Ich hatte mit dem Winter abgeschlossen, sehnte mich nach Wandern und Fliegen. In Schnifis lässt sich beides gut verbinden. Die Flugausrüstung fährt mit der Bahn nach oben, während ich zu Fuß die rund 700 Höhenmeter zur Bergstation aufsteige. Eine Stunde später habe ich meine Sachen wieder und das befriedigende Gefühl, etwas für meine Figur getan zu haben. Die verführerischen Torten im Henslerstüble sorgen dafür, dass ich nächstes Mal wieder zu Fuß gehen muss. Ich liebe diesen Jo-Jo Effekt!
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Heute dauert es an der Talstation etwas länger. Toni muss die Sommer-Saisonkarten ausstellen. Ich will ihm eine Freude machen. In den letzten beiden Jahren hatte er meinen Wunsch nach einer neuen Saisonkarte mit den Worten: „Es gibt keine neue Karte, sondern nur ein Aufladen der alten Karte!“ barsch korrigiert.
„Aufladen heißt das!“, musste er mich ein Jahr später wieder daran erinnern. „Merk dir das, ich stelle keine neuen Karten aus!“
Ich hatte es mir gemerkt.
In freudiger Erwartung seines Wohlwollens schiebe ich nun die alte Karte durch die Sprechluke und sage zu Toni, das Schlüsselwort betonend: „Einmal aufladen, bitte!“
Die Antwort ist vernichtend.
„Es gibt kein Aufladen mehr. Nur mehr neue Karten.“
Unwirsch erklärt er, dass heuer alles anders sei.
Ich trage es mit Fassung (im Gegensatz zu Toni).
Fürs Foto gerate ich dann wohl zu nahe ans Kameraobjektiv. Mein verzerrtes Grinsen beherrscht das ganze Gesicht. Toni verweigert eine Neuaufahme und bannt meine Fratze digital auf die Karte, mit der ich mich bis Ende Oktober ausweisen muss.
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Nachdem der Rucksack mit dem Gleitschirm das Drehkreuz passiert hat, schließlich ist er ein zahlender Fahrgast, verlasse ich die Seilbahnstation und quere eine üppige Löwenzahnwiese. Schuhe und Hosensaum sind in Kürze gelb vom Blütenstaub, wie die haarigen Beinchen der Insekten, die rastlos von Blume zu Blume summen.
Trotz des Überangebots an Nektar wird es in der Nähe eines alten Holzstapels ziemlich eng. Paarungswillige Käfer nutzen die gelben Plattformen um sich zu präsentieren und auch gleich zur Sache zu kommen. Sie lassen sich von meiner Handykamera nicht stören. Wer sollte sie auf youporn auch erkennen?
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Auf Höhe der Mittelstation liegt die Vegetation noch im Kampf mit der ihr zugedachten Düngung. Die vor Wochen flächendeckend ausgebrachte Gülle verkrustete in der Hitze der Föhntage und erlaubte nur den härtesten Gräsern den Deckel zu durchbohren. Sie hoben die Bruchstücke wie Flugdächer über den Boden. Man könnte meinen, sie trügen kleine Kartonschilder und demonstrierten damit gegen diese Scheißbehandlung. Sie hätten meine volle Unterstützung.
Kurz unter der Bergstation kommt es dann richtig dick. Mistbatzen kleistern das Gelände. Gestern noch gefroren, nun leicht angetaut, haben sie die richtige Konsistenz, um sich in jede Ritze der Schuhsohle zu pressen und dort hartnäckiger als Kaugummi kleben zu bleiben. Wie wird wohl der Startplatz aussehen?
Betucht. Bunt.
Etliche Piloten haben ihre Schirme bereits ausgelegt, noch mehr warten. Das who is who der Oberländer Gleitschirmsszene ist versammelt. Unwillkürlich muss ich an die Käferbalz auf dem Löwenzahn denken. Bloß, um was geht es hier?
Der eisige Ostwind jagt Nebelfetzen auf halber Höhe die Berghänge entlang. Die frischverschneiten Gipfel sind im Wolkenweiß nur schemenhaft zu erkennen. Heute ist weder ein guter Flugtag noch ein angenehmer. Und trotzdem ist die Hölle los.
Es finde ein Wettbewerb statt, erklärt man mir. Aber ohne konkrete Flug-Aufgabe. Jeder Pilot müsse vielmehr nach Kriterien des xc-contest Wertepunkte sammeln. Geometrie stehe daher im Vordergrund, denn Dreiecke erhöhen die Gewinnchancen. Mit einer Ziellandung im Schnifner Ried verdoppeln sich diese sogar.
„Wann geht’s denn los?“, frage ich einen der Aufgeregten.
„Hat schon begonnen“, sagt er ohne seinen Blick von einem Piloten zu nehmen, der in der windzerissenen Thermik kämpft. Es sieht bockig aus, als ritte er auf einem wilden Stier.
Angesichts des Rummels und der widrigen Verhältnisse verzichte ich auf den Kuchen im Henslerstüble und beeile mich, startklar zu werden. In turbulenter Luft brauche ich viel Freiraum. Und ein Wettbewerb trägt nicht unbedingt zu rücksichtsvollem Verhalten bei.
Mental bin ich auf einen kurzen, ruppigen Flug eingestellt, ziehe aber mangels Stauraum im Gurtzeug alle Jacken und Überhosen an. Ich werde nicht lange schwitzen, denke ich mir.
Keine zehn Minuten später ist mir sogar kalt. Zu meiner Überraschung stieg ich gleich nach dem Start mit ruhiger Thermik in einer einzigen, genussvollen Spiralbewegung bis zur Decke der Inversionsschicht auf 2000m hinauf. Es muss sich um einen glücklichen Zufall gehandelt haben, denn von den zahlreichen Piloten, die beim Anblick meiner Himmelfahrt hektisch aufbrachen, schafft es vorerst niemand bis auf meine Höhe.
Ich bin allein und schwimme gleichsam an der Oberfläche der dunstigen Luftmasse, die den Walgau auffüllt. Die Sicht nach unten ist etwas trübe, aber die Berge, die gleich Inselspitzen in den Himmel ragen, sind gestochen scharf und bilden ein Himalayapanorama. Man kann die Kälte direkt sehen, nicht nur fühlen.
Die Schneeberge tragen eine Wolkenstola um ihren Nacken. Hangnebel kriechen wie Fadenwürmer aus den Wäldern, ballen sich an der Baumgrenze und lösen sich dort, vom Südostwind zerrissen, ab. Es sind kurzlebige weiße Fetzen, die da von unten auf mich zusteuern und sich verflüchtigen, bevor sie mich erreichen.
Ich wundere mich, dass es so viele unterschiedliche Kondensationsebenen gibt. Normalerweise ist die Wolkenbasis über mir. Heute sind die Wolken überall und ich dazwischen. Und immer noch alleine. Die Thermik, in die ich zufällig geraten war, war stark genug, um alle Inversionen zu durchbrechen. Danach waren diese Durchgänge wieder verschlossen.
Wie eingesperrte Insekten an einer Glasscheibe suchen nun die bunten Schirme unter mir nach Schlupflöchern. Es wird nicht lange dauern, bis sie zu mir finden. Die Aprilsonne besitzt genügend Kraft, um in kurzer Zeit neue Warmluftblasen zu bilden, die als Thermik nach oben blubbern.
Der heftige Südostwind hat mich von den Bergen entfernt und weit abgetrieben. Ich unternehme einen halbherzigen Versuch, mich in Richtung Hoch Gerach vorzukämpfen. Denn dort flog ich vor einer Woche schon.
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Es war damals ein wunderschöner Tag gewesen, ohne eine Wolke und mit sanfter Thermik. Sie erlaubte mir nahe an den Flanken der Berge zu kreisen und diese wie durch ein Vergrößerungsglas zu betrachten. Ich hatte nur Augen für die Details: Die Musterung der Schneedecke, die wie mit farblosem Lack nachgepinselten Schispuren im Firn, das Rudel Gämsen, das gleichzeitig mit mir erschrak und floh. Ich, weil ich sie nicht stören wollte und sie, weil es bereits geschehen war. Aber nach hundert Metern hielten sie inne und begannen am ersten Grün zu äsen, das sich zwischen Steinplatten zeigte, die die Sonnenwärme speichern konnten. Im Schatten behauptete sich noch der Winter, wenn auch mit welkem, alternden Gesicht. Stellenweise hob sich die Schneehaut vom Hang ab und warf sich zu wellenförmigen Falten auf. Es war nur eine Frage der Zeit, wann sie brechen und als Lawine zu Tal rauschen würden.
Ich flog so nahe hin, dass ich einen Blick in die düsteren, feuchten Höhlen werfen konnte und wünschte, sie würden in diesem Moment einstürzen. Zeugen solcher Ereignisse gab es genug. Die Übergänge von Sonne zu Schatten waren von Schmierspuren gekennzeichnet, als hätte man mit einem kleinen Schwamm das Ölbild der Landschaft verwischt. Braun, Grau, Ocker und ein bisschen Grün lagen in Schneeklumpen verknetet in den Senken und blockierten Forstwege.
Es war mein erster Flug in diesem Jahr und ich konnte mich nicht satt sehen. Meine Augen dirigierten mich und die Thermik wurde zur Nebensache. Dass ich dadurch nie mehr zum Landeplatz zurückkommen würde, war mir egal. Ich wollte zu den Bergahornen ob der Plansottalpe. Diese uralten Bäume waren mir im Herbst, als sich ihr Laub gelb verfärbt hatte, einen Besuch wert gewesen. Jetzt ragten ihre nackten Silhouetten gen Himmel und das schwarze Geäst war vom bizarren Schattenwurf am Boden kaum zu unterscheiden. Als hätte ein japanischer Zenmeister das Wesen der knorrigen Bäume in den Schnee gezeichnet, mit absichtlich zittrigem Pinselstrich und verschütteten Tuschetropfen.
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Alle diese wunderbaren Erinnerungsbilder gehen mir durch den Kopf während ich zum Hoch Gerach fliege. Ich könnte noch lange weiterträumen, der Berg käme trotzdem kaum näher. Der Gegenwind bremst mich auf Schrittgeschwindigkeit ab und ich gebe mein Vorhaben auf. Zudem zielen etliche Wettbewerbsteilnehmer, die mittlerweile auf meiner Flughöhe angelangt sind, in Richtung Walserkamm.
Ich drehe ab und fliege in die entgegengesetzte Richtung.
Überm Gulm, das ist ein niederer Waldhügel, der sich zwischen Walgau und Laternsertal erhebt, bauscht sich eine prächtige Wolke. Sie nährt sich von den aufsteigenden Luftmassen, die den Sonnenhängen des Dünserberges entlang streifen und sich an der Waldkante ablösen. Wird die Wolke vom Ostwind zu weit abgetrieben, bildet sich über der Hügelkuppe eine neue. Im rhythmischen Wechselspiel von Thermik und Wind wird eine Wolke nach der anderen in den Himmel getupft. Die Botschaft dieser Rauchzeichen lautet: Komm und spiel mit uns!
Ich habe das Glück, dass ich mich immer noch in der Luftschicht befinde, die offenbar trockener ist als die unter mir. Anders kann ich mir nicht erklären, weshalb ich hunderte Meter höher bin als die Basis der Gulmwolke. Ich fliege direkt auf diese Wolke zu, die sich wie eine Wand aus rotierenden Wattekugeln vor mir aufbaut. Sie wirkt so kompakt und gleichzeitig ist alles in Bewegung. Lichte Massen tauchen in Furchen und werden zu diffusem Grau, aus dunklen Flecken wiederum quellen plötzlich blendend weiße Wülste hervor. Wenn ich die Augen nur auf die Wolke richte, ist es mir unmöglich die Entfernung einzuschätzen. Ich scheine stillzustehen und die Wolke mir entgegen zu wachsen. Eine Kopfdrehung zur Seite genügt um zu sehen, dass der Abstand noch groß ist und ein Ausweichmanöver zulassen würde.
Dann starre ich wieder wie hypnotisiert auf dieses amorphe Wesen aus Wasser und Luft, das einem Fantasy-Film entsprungen sein könnte. Durch die ständige Bewegung und die Veränderung seiner Form wirkt es lebendig. Die helle Seite ist freundlich wie Barbapapa, die dunkle Schattenseite bedrohlich wie ein Monster.
Als ich seinen feuchten Atem riechen kann und seine Kühle spüre, drehe ich sofort nach links ab. Mein Schatten fällt auf die Wolke und um ihn herum gleißt ein Ring aus Regenbogenfarben. Das Licht ist so intensiv, dass es mir die Tränen in die Augen treibt. Oder ist es pure Freude über das Schauspiel?
In schmalen Achterschleifen fliege ich an der Luvseite der Wolke und kann dort sogar meine Höhe halten. Und weil ich weiß – ich hatte die anderen Piloten natürlich beobachtet – dass ich hier alleine bin, tauche ich vor der Richtungsänderung immer einen halben Kreis lang in die Wolke hinein. Manchmal verschleiert sich die Sicht nur ein wenig, ein anderes Mal bin ich für ein paar Sekunden von undurchdringlichem Weiß umgeben. Dazu dieser Nebelgeruch! Den Wolkenrand zu riechen ist einfacher als ihn zu sehen. Als hielte man die Nase direkt in die Düse eines Luftbefeuchters.
Mein Regenbogen verblasst allmählich und die Wolkenwand verdüstert sich. Wir sind mit dem Wind nach Nordwesten abgedriftet und im Süden baut sich eine neue Wolke auf. Ich befinde mich nun zwischen den beiden Cumuli in einer Art Schlucht. Während die nördliche Wand durch den Schatten unheimlich dunkel wird, ist die junge, südliche Wolke noch lichtdurchflutet und öffnet immer wieder kleine Fenster, durch die ich in den Walgau schauen kann. Ich wähle mir eine der Luken aus und fliege hindurch. Es ist wie im Märchen. Wolkenkeime, durchscheinend wie Quallen kommen mir entgegen, streifen mich mit ihren feuchten Tentakeln und schweben an mir vorbei. Das Variometer piepst, ich steige mit ihnen in die Höhe, beobachte wie sie dichter und kompakter werden und muss ihnen schließlich ausweichen, bevor sie mich blind machen. Wenn sie direkt von unten auf mich zustreben als hätten sie es auf mich abgesehen, dann verharre ich auf der Stelle, lasse mich einhüllen, atme Wolke, bin Wolke – kann nicht mehr sagen, wer nun wen durchdringt, bis kurz darauf die bekannte Welt wieder zu meinen Füßen liegt: Der vom Neuschnee angestaubte Wald, die quergestreifte Almwiese, wo sich nur auf den Kuhtrampelpfaden der Schnee halten konnte, darüber der rot-weiß-rote Sendemast.
Ich suche den Himmel nach anderen Piloten ab, entdecke niemand und kehre zu den Wolken zurück. Einmal gesellt sich ein Vogel zu mir. Ihm scheint das Spiel mit den Wolken gleichviel Freude zu bereiten wie mir. Was gäbe es sonst für einen Grund, sich in einem feuchten Luftbatzen zu bewegen?
Als später einige Gleitschirme Kurs auf den Gulm nehmen, verlasse ich meine Spielwolke. Mir ist ohnehin kalt geworden.
Auf dem Rückweg fliege ich über den Bergrücken, der den Walgau vom Laternsertal trennt und kann ein seltsames Schauspiel beobachten. Im Lee des Jochs wallt dichter Nebel und seine Ausläufer werden von Wind und Thermik am Gratrand in die Höhe gerissen und nach Norden geblasen. Wie weiße Flammen züngeln Wolkenfransen über die schattigen Nordhänge hinaus. Und ich fliege darüber! Obwohl ich vor Kälte am ganzen Körper zittere und meine Fingerkuppen taub sind, kann ich diesem Anblick nicht widerstehen. Heute hätte ich einen Fotoapparat, oder besser noch eine Videokamera dabei haben sollen! Jetzt muss ich so lange hinschauen, bis ich das Gefühl habe, mich auch später im Detail daran erinnern zu können.
Erst dann wende ich mich ab und steuere geradewegs auf die Talmitte zu.
Ich freue mich auf die Wärme da unten. Löwenzahnwiesen locken. Darin Obstbäume in voller Blüte. Die weißen Kugeln wirken wie Relikte einer verlorenen Schneeballschlacht. Ein kleines Fahrzeug kurvt über die Wiese und rasiert einen hellen Streifen ins Gras.
Schmerz flutet meine auftauenden Fingerspitzen. Ich möchte schreien und jubeln zugleich. Was für ein Flug!
***
Am Landeplatz treffe ich frustrierte Piloten.
Turbulent sei es gewesen, jammern sie, die tiefe Wolken hätten alles vermasselt und dazu dieser verdammte Wind! Kein Wetter für einen Wettbewerb. Apropos: Ob ich wisse, wer wie weit gekommen sei? Ist schon jemand im Ziel und gibt es dort Bier? Gehst du mit?
Meine stets ablehnende Antwort auf Einladungen zu Geselligkeit kennen die meisten schon.
Heute hab ich eine neue Variante: „Nein danke. Bin gleich ’ne Wolke.“