Die feuchte Decke der Nacht
liegt noch kühl auf den Hügeln,
fließt zäh in dünnen Fäden
ins dämmrige Tal hinab,
sammelt sich dort in milchigen Seen.
Am Horizont gebiert das Meer
unter blutigen Wehen
eine neue Sonne - ohne Erinnerung an jenes Leid.
Die Farben der Welt explodieren
und jedes Ding atmet argloses Sein.
Selbst in erbleichten Felsen aus Kalk
pulsiert das eine Leben -
gleich den dampfenden Rinderleibern
im üppigen Gras,
deren steinernes Abbild sie sind.
Warme Luft schwappt nun vom Tal herauf,
bringt den gelben Duft
des betörenden Ginsters mit sich.
Es ist an der Zeit hinabzusteigen,
dem eigenen Schatten folgend.
Am Dorfplatz sind Blumen ausgelegt,
prachtvolle Ornamente sollen das Göttliche spiegeln.
Kirchenfassaden und fromme Gesichter
bilden ein entschlossenes Spalier
zum Schutz der heilen Glaubenswelt.
Die Prozession wird vom Murmeln der Gebete
durch die Gassen getragen.
Unter den schlurfenden Schritten
hauchen die Blüten ihre Duftseele aus
und ein heiliger Segen verströmt.
Die Straße reiht die Dörfer
zu einer Kette tonfarbener Steine
- gleich geschützten Nestern aus roten Ziegeln –
umgeben von wogenden Kornfeldern
in denen sich schwere Maschinen mühen.
Sie schlichten das Gold zu geschwungenen Maden
rollen mannshohe Räder daraus,
die verloren auf etwas zu warten scheinen.
Zerknitterte Mohnblumen bleiben zurück,
traurig – mit gesenkten Köpfen.
Hinter einem verlassenen Gehöft
plötzlich tausend gelbe Sonnen,
die Gesichter ihrem Schöpfer zugewandt.
Schlanke Zypressen, wie von Künstlerhand platziert
bewachen das Gemälde der Natur.
Im Ristorante zieht der Fernseher den Blick nach oben
nur der Gastgarten erlaubt Geselligkeit.
In verwahrlosten Tontöpfen blühen Geranien
mit einer Inbrunst,
die keiner Pflege bedarf.
Über dampfende Nudeln
wird schwarzer Trüffel gerieben.
Der dunkle Wein klingt schwer in den Gläsern
und hinterläßt einen erdigen Geschmack
Umbria verführt mit ihrem fruchtbaren Leib.
Bei jedem Schritt Richtung Gipfel
atmet der Boden den Duft herber Kräuter aus.
Der Wind reißt kleine Insekten mit sich
und jagt damit verspielt durchs Blätterwerk.
Unter uns kocht die Luft im Tal.
Schnell die Flügel ausbreiten, zwei beherzte Schritte
und sich tragen lassen
Aus neuer Perspektive den Rhythmus der Landschaft erkennend:
Wellenartig schwingend,
von Bergketten über flache Hügelrücken ins glitzernde Meer.
Bunte Felder mit steinernen Warzen gespickt:
Dörfer, wie Festungen auf die Kuppen geklebt.
Die Spiralform der Stadtmauer
in eigenen Kreisen fortsetzend,
bis die Piazza 1000 Meter unter mir liegt.
Mit allen Sinnen das unsichtbare Element erfahren -
teils Spiel, teils zähes Ringen.
Schließlich die feuchten Tentakel der Wolke spürend
und frech eintauchen
ins weiße Nichts.
Ausschweben im Abendlicht,
das die Farben der Äcker erwärmt.
Hinabsinken in die schwüle würzige Luft
und mit strahlenden Augen von Eindrücken berichten,
die eigentlich nicht beschreibbar sind.